Das Schöne am Beruf der Redakteurin ist ja, dass man Dinge erlebt, die man sonst vermutlich nicht tun würde – wie beispielsweise einen Blick hinter die Kulissen am Set von „In aller Freundschaft – die jungen Ärzte“ zu werfen (>>HIER<< mehr dazu) oder eben auch einfach mal einen Tag als Thüringer Tatortreinigerin zu arbeiten.
„Wird bestimmt geil“, dachte ich mir. „Bestimmt wie in den ganzen Serien“, ging mir durch den Kopf. Dass die ersten ekligen Szenen aus einer Thüringer Wohnung bereits schon am Tag vorher auf mich einrieselten, das dachte ich allerdings nicht. Was sich genau ereignete, erfährst du hier.
Thüringer Reporterin arbeitet als Tatortreinigerin
Die Idee, einen Tatortreiniger für einen Tag zu begleiten und daraus eine Reportage für unser Portal zu machen, kam mir in einem Café – während ich durch Social Media scrollte. Zugegeben, ich erfinde das Rad nicht neu, konnte mich aber nicht erinnern, ob schon einmal jemand aus der Medienbranche mit einem Thüringer Tatortreiniger um die Wette schrubbte. Doch wo treibt man so jemanden überhaupt auf? „Ich komme eventuell mit einer merkwürdigen Frage um die Ecke“, leitete ich das Gespräch bei der Polizei ein. „Mit welchem Tatortreiniger arbeiten Sie zusammen? Haben Sie da einen Kontakt für mich?“ – hätte eigentlich nur noch gefehlt: „Ich frage für einen Freund.“ Tatsächlich hatte ich kurz Bammel, dass das nächste Polizeiauto direkt vor unserer Redaktion hält.
Erste Erkenntnis: Die Polizei beauftragt die Tatortreiniger nicht – das macht jeweils der Eigentümer der Wohnung beziehungsweise die Wohnungsgesellschaft. Nach einigen Telefonaten und Anfragen meldete sich Joseph Wolfsberg bei mir. Er hat sich als Tatortreiniger mit seiner Tochter selbstständig gemacht und kam auch schon binnen weniger Minuten zur Sache. „Ich bin gerade auf dem Weg in eine Wohnung im Weimarer Land. Ich schau mir die mal an. Wenn die nicht zu langweilig ist, kannst du morgen direkt mit.“ Nun gut, dass ich so schnell in einem der bekannten weißen Anzüge stecken werde, hätte ich nun nicht gedacht.
„Wurde nach vier Tagen gefunden“
Einen kleines „Best of“ seiner krassesten Fälle, habe ich direkt noch am Telefon zu hören bekommen. Von Leichen, die mehrere Monate unentdeckt blieben, bis krasse Steuerhinterziehungsgeschichten, die im Nachhinein rausgekommen sind, war beim Selbstständigen alles dabei. „Eine Frau war psychisch krank. Die hat beispielsweise aus Milchkartons einen Schluck genommen und hat die dann auf den Boden geworfen – und Milch fängt dann irgendwann an zu riechen wie Kotze. Der Gestank war so schlimm“, erzählt er. Außerdem habe sie ihre Exkremente an die Fenster der Nachbarn geschmiert. „Als sie dann die Polizisten angegriffen hat, wurde sie in eine psychische Anstalt eingewiesen und ich wurde zum saubermachen gerufen“, erzählt Joseph weiter.

+++ Thüringer Betrieb vor dem finanziellen Kollaps – jetzt folgt die Kehrtwende +++
Doch zurück zur Wohnung im Weimarer Land. Nach einer ersten Besichtigung durch Joseph folgte der zweite Anruf. „Ja, da kannst du mit. Der Mann ist auf seiner Toilette gestorben und wurde nach vier Tagen gefunden. Er ist quasi explodiert – und der Bestatter hat beim Raustragen auch etwas gekleckert.“ Alleine dieser Wortlaut von Joseph macht klar: Für ihn ist die Arbeit „Daily Business“, während mir aus völliger Überreaktion ein Lachen entfährt. „Das ist nichts Langweiliges, sodass du was zu berichten hast, aber auch nichts Krasses. Okay, vielleicht kann ich auch nicht mehr gut einschätzen, was krass ist“, witzelt der Thüringer Tatortreiniger weiter. „Aber es stinkt nicht – wir brauchen also keine Masken“, macht er mir etwas Mut. Allerdings seien wohl Insekten mit von der Partie.
Mehr News:
Immerhin bleibt wohl nicht viel Zeit für Zimperlichkeit. „Ich nehme meine Tochter nicht mit. Sondern du bist dann meine Gehilfin“, freut sich Joseph – ich bin mir meiner Gefühle bezüglich meiner zugegeben übermotivierten Anfrage noch nicht ganz sicher. Immerhin stürze ich mich nicht vollkommen blind ins Tatortreiniger-Geschäft. Denn Joseph schickt mir vorab Bilder. Ob das jetzt gut oder schlecht war, weiß ich nicht. Zu sehen ist die Toilette – und mehr als deutliche Spuren von einer rot-braunen Flüssigkeit. „Der Mensch zersetzt sich halt – das ist sozusagen Leichenschnodder“, versucht Joseph es in einfachen Worten zu erklären. Und während ich mich noch frage, wo ich denn jetzt so plötzlich falsch abgebogen bin, weil ich tatsächlich „Leichenschnodder“ von einem Klo schrubben werde, verabreden wir uns für den nächsten Tag.