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Thüringen: Komplette Branche abgewürgt! „Kann kein Mensch ernst nehmen“

Geplant waren einfache Tarifverhandlungen. Doch jetzt spitzt sich die Lage zu. Bedeutet das damit das Aus für Handwerker in Thüringen?

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© imago images/ Shotshop

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Es könnte eine der ältesten und traditionsreichsten Handwerksbranchen treffen – eine, die auch das Stadtbild in Thüringen prägt. Doch nun steht sie am Scheideweg. Der Nachwuchs bleibt aus, die Fachkräfte wandern ab, und die Löhne stagnieren. In Thüringen, wo viele kleine Betriebe ohnehin ums Überleben kämpfen, könnte die aktuelle Krise zum endgültigen Aus für viele führen.

Was bedeutet das für Thüringen? Wie geht es mit den Handwerkern weiter? Stehen jetzt etwa alle vor dem Aus?

Thüringen: Reißleine gezogen

Die Rede ist vom Maler- und Lackiererhandwerk, einer Branche mit 115.000 Beschäftigten bundesweit. Doch statt einer Lohnerhöhung gab es in den aktuellen Tarifverhandlungen nun Stillstand. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hat die Gespräche mit den Arbeitgebern jetzt abgebrochen. Der Grund: Ein unzureichendes Angebot von gerade einmal 2 Prozent mehr Lohn – ein Plus von nur 37 Cent pro Stunde für einen Malergesellen. Zum Vergleich: Die IG BAU forderte 8 Prozent mehr, also 1,50 Euro pro Stunde. Das erklärt die Industriegewerkschaft „Bauen-Agrar-Umwelt“.

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Doch nicht nur das niedrige Angebot sorgt für Empörung. „Wer bei nach wie vor guter Auftragslage und Fachkräftemangel händeringend die wirtschaftliche Situation der eigenen Branche kleinzureden versucht und dabei weltpolitische Krisen-Schlagworte ins Feld führt, den kann kein Mensch mehr ernst nehmen“, sagt Verhandlungsführer Carsten Burckhardt. Statt über betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten zu sprechen, wurden in den Verhandlungen weltpolitische Krisen ins Feld geführt. „Die Verhandlungsführer der Bundesinnung waren sich nicht zu schade, einen wilden Mix aus Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt, wirtschaftlichem Druck aus China und Trump-Politik in den USA als skurrile Gründe aufzufahren. (…) Es bleibt das Geheimnis der Arbeitgeber, was Trump jetzt auch mit den realen Lohnkürzungen der Menschen zu tun hat, die bei uns Fassaden streichen, Wohnungen renovieren oder Kühlerhauben lackieren“, so Carsten Burckhardt.

Wie geht es nun weiter?

Für den IG BAU-Verhandlungsführer ist das nicht nur skurril, sondern vor allem ein Affront gegenüber den Beschäftigten: „Das ist Lohn-Diät pur. Die Arbeitgeber nehmen damit bewusst in Kauf, dass es den Malern und Lackierern finanziell schlechter geht. Mit Respekt für deren Arbeit hat das nichts zu tun“, erklärt Burckhardt am Freitag in Frankfurt.


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Die Kritik der Gewerkschaft ist deutlich: Während andere Handwerksbranchen wie das Baugewerbe oder das Dachdeckerhandwerk faire Lohnabschlüsse erzielen konnten, werden die Maler und Lackierer abgehängt. Das sei nicht nur ungerecht, sondern auch gefährlich für die Zukunft der Branche. Gerade in Thüringen könnte die aktuelle Entwicklung fatale Folgen haben. Viele Betriebe kämpfen ohnehin mit Personalmangel. Ohne attraktive Löhne wird es noch schwerer, junge Leute für den Beruf zu gewinnen. Die Gefahr: Immer mehr Betriebe schließen, weil sie keine Nachfolger finden. Die IG BAU hat nun die Schlichtung angerufen – der letzte Versuch, eine Lösung zu finden, bevor es zum Arbeitskampf kommt. Doch egal, wie der Konflikt ausgeht: Eines steht fest. Ohne eine deutliche Lohnsteigerung droht dem Maler- und Lackiererhandwerk in Thüringen ein langsames, aber sicheres Aussterben.