Die Rolle eines Richters dürfte jedem geläufig sein. Er leitet Verhandlungen und fällt am Ende ein Urteil – objektiv und aufgrund von Sachlagen nach dem Gesetz. Doch ein Richter in Thüringen könnte seine Urteile weniger objektiv gefällt haben. Zumindest werden jetzt schwere Vorwürfe gegen ihn laut.
Damit könnte der Mann sprichwörtlich die Seiten wechseln und vom Richter auf die Anklagebank rutschen. Am Ende könnte ihm das sogar den Job am Verwaltungsgericht Gera (Thüringen) kosten. Von Rassismus, Hass und Hetzte ist die Rede. Worum es dabei genau geht, liest du hier bei uns.
Thüringen: AAF deckt Erschreckendes auf
Das ganze Szenario, das sich über mehrere Jahre erstreckt, ist zugegebenermaßen sehr komplex. Das Thema brachte eine Recherche Ende Juni der Autonomen Antifa Freiburg (AAF) ins Rollen, wie der MDR berichtet. Die Gruppe wertete das Internetforum „Tradition mit Zukunft“ (TraMiZu) und alles, was sich dort bis zur Schließung 2011 zugetragen hat, aus – und ist dabei auf Erschreckendes gestoßen. Besonders die Aussagen eines Users erregten die Aufmerksamkeit der AAF. Er soll sich mit dem Namen „Bengt-Christian Fuchs“ interne Kennung „BeFuchs287“ und dem Titel „Dr. iur.“ Dutzende Male im besagten Forum eingeloggt haben. Doch das allein sorgt natürlich nicht für den großen Wirbel.
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Sondern die Beiträge und Threads, die der User veröffentlichte, gehen weit unter die Gürtelline, sind sogar menschenrechtsverletzend. 2009 soll „Bengt-Christian Fuchs“ laut des MDR folgenden Post veröffentlicht haben: „[…] Derzeit bastele ich an einer Stellungnahme Thüringens zum völlig verkorksten Gesetz des Bundes zur Änderung des Transsexuellengesetzes rum. Demnach können verheiratete Transen zukünftig weiter verheiratet bleiben, die gleichgeschlechtliche Ehe wird damit eingeführt [Kotz-Smiley] […] Ich säß jetzt auch lieber bei nem verträumten Bier…“
Steckt der Thüringer Richter hinter „Bengt-Christian Fuchs“?
Doch das soll noch nicht alles gewesen sein. Wie der MDR behauptet, liegen diesem etliche weitere menschenverachtende Zitate des Nutzers vor. Unter anderen soll der User mehrfach das Wort „Schwuchteln“ benutzt haben. 2011 soll „Bengt-Christian Fuchs“ dann folgenden Kommentar verfasst haben: „Wenn ein Lehrer sich anschicken sollte, meinen Kindern vermitteln zu wollen, dass homo- oder transsexuelle Veranlagungen einem heterosexuellen Dasein gegenüber als gleichberechtigt und normal zu beurteilen sind, hat er mich ebenso am Hals wie jene Lehrer, die meinen Kindern zu vermitteln versuchen, dass es in der ‚DDR‘ nicht so schlimm gewesen sei.“ Seine Posts sollen häufig nicht nur in die homophobe Kerbe schlagen, sondern sich auch gegen Ausländer richten. Das „N-Wort“ sei laut MDR ebenfalls öfter in Beiträgen aufgetaucht. Die Kommentare allein sind schon schlimm genug – was dem ganzen aber die Krone aufsetzen dürfte: Bei dem User „Bengt-Christian Fuchs“ könnte es sich laut der MDR-Recherche um niemand geringeres als den Richter für Asylrecht am Verwaltungsgericht Gera (Thüringen) Dr. Bengt-Christian Fuchs handeln.
Was spricht für die These? Bei dem Forum „TraMiZu“ diente als Plattform für Korporierte, also Mitglieder von Studentenverbindungen (egal ob aktiv, inaktiv oder „Alte Herren“). Deshalb wurden alle Anmeldungen vorab von Administratoren überprüft. Jeder potenzielle User musste seine Zugehörigkeit zu einer Studentenverbindung nachweisen. Zudem herrschte Klarnamenpflicht. Wie der MDR wissen will, passten die im Account von „Bengt-Christian Fuchs“ hinterlegten Daten (Name, Titel, Geburtsdatum und Job) eins zu eins zum Profil des Thüringer Richters. Fernab soll der User zudem an mehreren Stellen verlauten lassen haben, dass er am Thüringer Justizministerium abgeordnet sei.
Thüringer Richter streitet Vorwürfe ab
Der Thüringer Richter streitet ab, dass er sich hinter dem Profil von „Bengt-Christian Fuchs“ verbirgt. Andere Korporierte, die dem MDR gegenüber beteuerten, ebenfalls auf der Plattform „TraMiZu“ aktiv gewesen zu seinen, zweifeln jedoch an, dass es sich bei dem User um einen Fake-Account gehandelt haben soll.
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Was der Richter am Geraer Verwaltungsgericht indes nicht abstreiten kann, ist die Tatsache, dass seine Quoten zur Asylrechtssprechung deutlich von den Quoten anderer Asylrichter im Budesschnitt abweichen. Das geht unter anderen aus einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zur Asylstatistik hervor.
Das Justizministerium untersucht nun Anschuldigungen gegen den Thüringer Richter. „Die Prüfungen zur Stichhaltigkeit der erhobenen Vorwürfe sind noch nicht abgeschlossen und obliegen zunächst dem unmittelbaren Dienstvorgesetzten“, heißt es aus dem Ministerium. Geprüft wird jetzt, ob Fuchs weiterhin im Bereich Asylrecht arbeiten solle oder andere Zuständigkeiten erhalte. Auch dienstrechtliche Schritten werden geprüft. Bis Mitte August ist Richter Fuchs nicht im Dienst. Bis dahin sollen entsprechende Entscheidungen fallen. (mit dpa)