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Thüringen: Dramatische Zahlen! Traditions-Betriebe pfeifen aus dem letzten Loch

Vielen Traditionsbetrieben in Thüringen drohen in diesem Jahr dramatische Umsatzeinbußen. Ihre Situation ist prekär.

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u00a9 IMAGO/SNA

Die Geschichte des Traditionshandwerk in Thüringen

Die Porzellanherstellung und die Glasbläserei haben eine lange Tradition in Thüringen.

Es war die Nacht vom 22. auf den 23. April, die für etliche Betriebe in Thüringen praktisch einer Katastrophe gleichkam. Die meisten von uns bekamen davon wahrscheinlich wenig mit. Allenfalls bemerkten wir am Morgen, dass es vergleichsweise kühl für den fortgeschrittenen Frühling war.

Für viele Landwirte glich die Nacht aber einem Extremwetter-Ereignis. Die Temperaturen sanken auf bis zu minus 5 Grad – und das in Zeiten, in denen die meisten Obstbäume gerade versuchten, Früchte auszutreiben. Dass das nicht ohne Folgen für die Thüringer Obsternte bleiben würde, war ihnen damals schon klar. Neueste Zahlen zeigen jetzt: Ihre Ängste waren nicht unbegründet. Im Gegenteil. Einige Traditionsbetriebe drohen jetzt in eine erhebliche finanzielle Schieflage zu geraten.

Thüringen erwartet mickrige Obsternte

Das Thüringer Statistikamt lieferte es am Montag (24. Juni) schwarz auf weiß: In der Kirschernte müssen die Obstbaubetriebe mit dramatischen Ernte-Einbußen rechnen. Konkret dürfte der Ertrag bei den Süßkirschen um bis zu 70 Prozent, bei den Sauerkirschen um etwa 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen. „Die erste Prognose bei den Sauerkirschen beläuft sich auf 3,6 Tonnen je Hektar. Eine vergleichbar geringe Kirschernte gab es zuletzt im Jahr 2002“, so das Statistikamt. Die Ernte dürfte also so mickrig ausfallen, wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Wie dramatisch die Lage bei den Thüringer Obstbauern tatsächlich ist, erklärt Joachim Lissner, Chef vom Verband „Gartenbau in Thüringen“, im Gespräch mit Thüringen24. Die Frost-Nacht im April habe die Landwirte demnach im wahrsten Sinne des Wortes kalt erwischt. „Die Obstbauern hatten halt keine Möglichkeit, die Schäden abzuwehren“, sagt er. Frostschutz-Methoden, wie sie zum Beispiel auch im Weinbau zum Einsatz kommen, würden bei solchen Temperaturen nicht helfen. „Auch bei den Flächengrößen nicht“, so Lissner.

Thüringen: Schaden in Millionenhöhe

Seiner Einschätzung nach ist der Schaden in allen Kulturen enorm. Also nicht nur bei den Kirschen. Bei den Zwetschgen befürchtet er in diesem Jahr sogar einen „Totalausfall“, die Apfelernte dürfte um etwa 85 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen. Er rechnet in der gesamten Industrie mit einem Schaden in Millionenhöhe.

Der Erlösausfall liege demnach bei etwa 13,5 Millionen Euro. Das entspräche einem monetären Schaden von rund 7,3 Millionen Euro. „Für Betriebe besteht eine akute Existenzgefahr, weil die Ernte nicht in dem Umfang stattgefunden hat, wie sie sonst stattfindet“, so der Verbands-Chef.

Hoffnung auf treue Verbraucher

Momentan können sich die Landwirte mit Äpfeln, die noch in den Lagern liegen, gerade so durchkämpfen. Ab Herbst dürften diese aber auch zu Neige gehen, weshalb viele Betriebe schon jetzt mit viel Sorge auf die kommenden Monate blicken. Vom Land sind bisher Ad-Hoc-Hilfen von zwei Millionen Euro zugesagt – ausgezahlt ist das Geld aber noch nicht. Für die Landwirte bleibt zu hoffen, dass sie sich dafür nicht durch einen Bürokratie-Dschungel kämpfen müssen, sonst dürfte die Luft ab dem Herbst langsam knapp werden.

In der Zwischenzeit würden theoretisch Liquiditätshilfen von der Bank helfen, aber auch sie stellen keine langfristige Lösung dar. „Das sind dann Kredite, die man auch bedienen muss und wo dann auch Zinsen fällig werden“, so Lissner. „Das hemmt die Betriebe an zukünftigen Investitionen.“


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In geringem Umfang findet die Kirschernte in Thüringen trotzdem statt – eben bei den paar Prozenten, die trotzdem hängen geblieben sind. Dass dabei das Preisniveau aus dem letzten Jahr kaum gehalten werden kann, ist klar. „Wir hoffen, dass die Verbraucher den Betrieben treu bleiben“, sagt Lissner. Außerdem erhoffe er sich von der Politik auch ein Gehör nach der Wahl. Denn das Szenario, dass die Traditionsbetriebe gerodet werden müssten, möchte sich der Verbandschef nicht ausmalen. „Es ist wichtig, die Unternehmen in ihrer Existenz zu stärken und zu unterstützen“, so Lissner. „So eine Obstanlage dauert drei bis vier Jahre, bis Ertrag kommt. Man muss viel investieren. Deshalb ist es besonders wichtig, den Obstbau in Thüringen zu erhalten.“