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Neuer Wehrdienst unter Schwarz-Rot – doch viele wollen nicht zur Waffe greifen

Die schwarz-rote Koalition will den Wehrdienst neu aufstellen. Doch immer mehr Menschen stellen Anträge auf Kriegsdienstverweigerung.

© IMAGO / Bihlmayerfotografie

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Mit der neuen schwarz-roten Koalition soll ein neuer Wehrdienst eingeführt werden. Hintergrund sind unter anderem der andauernde Ukraine-Krieg durch Wladimir Putin und die jüngsten Drohgebärden von Donald Trump gegenüber der NATO. Doch viele Menschen möchten im Ernstfall keine Waffe in die Hand nehmen.

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Schwarz-Rot bringt Wehrdienst auf den Weg

In der neuen Legislatur setzt Schwarz-Rot auf einen freiwilligen Wehrdienst, der sich am schwedischen Vorbild orientiert. Vorgesehen ist, dass junge Männer verpflichtend einen Fragebogen zur Wehrerfassung ausfüllen. Die gesetzlichen und organisatorischen Grundlagen dafür müssen allerdings noch geschaffen werden.

Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die nicht in den Krieg ziehen möchten. Immer mehr Menschen verweigern vorsorglich den Kriegsdienst. So stieg laut Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben die Zahl der Anträge im ersten Jahr des Ukraine-Kriegs auf 951. 2023 waren es bereits 1.079, im Jahr 2024 mehr als doppelt so viele: 2.241 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung.

Mehr Beratungen für Verweigerer

Auch die Deutsche Friedensgesellschaft verzeichnet einen deutlichen Anstieg beim Beratungsbedarf. „Wir haben die Kriegsdienstverweigerungs-Beratung vor etwa drei Jahren wieder langsam aufgenommen, da es bei uns vermehrt zu Nachfragen kam“, erzählt Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft, unserer Redaktion. „Viele junge Menschen, aber auch ältere, haben Fragen und Beratungsbedarf.“

Seit Februar dieses Jahres betreibt die Friedensgesellschaft die Plattform verweigern.info. Dort finden Kriegsdienstverweigerer alle wichtigen Informationen zum Verfahren. Allein in den ersten Aprilwochen wurde die Website über 100.000 Mal aufgerufen, berichtet Schulze von Glaßer.

BGH-Urteil sorgt für Verunsicherung

Laut dem DFG-Geschäftsführer ist die Anerkennungsquote bei Ungedienten derzeit sehr hoch. „Manchmal müssen Antragsstellerinnen oder Antragssteller noch etwas nachreichen, spätestens dann findet aber in der Regel eine Anerkennung statt.“ Problematisch sei lediglich die Bearbeitungszeit, die manchmal mehrere Monate dauern kann.

Für Unruhe sorgt allerdings ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Februar. Dieser hatte entschieden, dass ein ukrainischer Kriegsdienstverweigerer trotz Gewissensgründen an sein Heimatland ausgeliefert werden darf. Das Urteil hat auch in Deutschland für Unsicherheit gesorgt.


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Michael Schulze von Glaßer zeigt sich darüber tief besorgt. „Kriegsdienstverweigerung ist ein anerkanntes Menschenrecht und darf nicht einfach ausgesetzt werden, wenn es einem Staat nicht mehr passt. Zwar war der Fall um den betroffenen Ukrainer etwas komplizierter, dennoch scheint es auch in einigen Bereichen der Justiz eine ‚Zeitenwende‘ hin zur ‚Kriegstüchtigkeit‘ zu geben.“ Diese Entwicklung hält er für bedenklich.