Macht die SPD-Basis Merz zum Kanzler? Seit Dienstag (15. April) läuft die Mitgliederbefragung. Während die Parteispitze um Lars Klingbeil um ein Ja wirbt, lehnt der Juso-Bundesvorstand den Koalitionsvertrag mit CDU/CSU ab. Nicht nur die jüngsten Sozialdemokraten haben Bauchschmerzen, auch linke Sozis sind sehr skeptisch.
Es sind vor allem 10 Gründe, wieso die SPD-Basis erhebliche Probleme mit dem Deal mit der Merz-Union hat. Sind sie ausschlaggebend genug, dass mehr als die Hälfte der Sozialdemokraten beim Mitgliedervotum den Vertrag ablehnen? Es könnte dann zu Neuwahlen mit einem ungewissen Ausgang kommen. Möglicherweise auch mit einer weiteren Stärkung der AfD.










10 Gründe, warum die SPD-Basis Bauchschmerzen hat mit dem Koalitionsvertrag
- Aufweichung des 8-Stunden-Tages
Am Anfang der Arbeiterbewegung in Deutschland, und damit auch der Sozialdemokratie, stand der Kampf um einen 8-Stunden-Tag. Seit 1918 ist er gesetzlich vorgeschrieben. Genau diese arbeitsrechtliche Errungenschaft und „Heilige Kuh“ der SPD soll von Schwarz-Rot aufgeweicht werden. So heißt es auf Seite 18 im Koalitionsvertrag: „Die Arbeitswelt ist im Wandel. Beschäftigte und Unternehmen wünschen sich mehr Flexibilität. Deshalb wollen wir im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen.“
+++ Hier mehr zum Thema: Jusos lehnen Koalitionsvertrag ab – „Wollen also lieber Weidel als Kanzlerin!“ +++
- Mindestlohn von 15 Euro unsicher
Wohl etwas zu voreilig verkündete die SPD-Spitze eine 15-Euro-Garantie für den Mindestlohn auf Instagram. Friedrich Merz machte gegenüber Caren Miosga und der „Bild am Sonntag“ klar, dass das keineswegs feststeht: „Das haben wir so nicht verabredet.“ Die Mindestlohnkommission soll unabhängig über die Höhe entscheiden. „Es wird keinen gesetzlichen Automatismus geben“, so Merz (hier mehr dazu).
Gegenüber der „WirtschaftsWoche“ stellt Christiane Schönefeld, die Vorsitzende dieses Gremiums klar: „Die Mindestlohnkommission ist eine ständige Kommission der Tarifpartner. Ihre Mitglieder unterliegen bei der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit keinen Weisungen.“ Schönefeld betont also die Unabhängigkeit des Gremiums. Bis Ende Juni will die Kommission festlegen, wie es mit dem Mindestlohn 2026 und 2027 weitergeht. Werden es dann tatsächlich 15 Euro pro Stunden oder doch (deutlich) weniger?
- Mittelschicht droht Kaufkraftverlust bis 2029
Der CO2-Preis steigt in den kommenden Jahren. „Es wird zunächst einmal für alle teurer!“, kündigte Merz im ARD-Talk von Caren Miosga an. Das gilt besonders fürs Tanken und Heizen. Doch wie schaut es mit einem sozialen Ausgleich, also einem Klimageld, aus? Die Frage beantwortet der Koalitionsvertrag ebenso wenig wie konkrete Zusagen für eine Steuersenkung für die Mitte. Alles steht unter Finanzierungsvorbehalt.
So musste Merz im „Bild am Sonntag“-Interview einräumen, dass die Befürchtung, wonach die Menschen auch angesichts steigender Sozialabgaben 2029 netto weniger Geld zur Verfügung haben werden, „nicht unberechtigt“ sei.
- Aktivrente – eine versteckte Anhebung des Rentenalters?
Linke Kritiker befürchten, dass mit der sogenannten Aktivrente eine versteckte Anhebung des Renteneintrittsalters vollzogen wird (mehr dazu hier). Der Begriff Aktivrente sei eine Schönfärberei, so ihr Vorwurf. Schwarz-Rot will es attraktiver machen, freiwillig im Ruhestand weiterzuarbeiten. Dafür sind Einnahmen bis 2.000 Euro monatlich steuerfrei. Dieser Anreiz könnte das reale Renteneintrittsalter nach hinten verschieben, weil schon jetzt für viele (insbesondere Frauen) die gesetzlichen Renten zu gering ausfallen, um den Lebensstandard im Alter zu halten.
- Grundsicherung statt Bürgergeld: Zurück zum Hartz-4-Prinzip
Mit dem Bürgergeld setzte die Ampel unter Arbeitsminister Hubertus Heil die Förderung von Langzeitarbeitslosen in den Mittelpunkt. Durch Fort- und Weiterbildungen sollten die Bürgergeld-Bezieher, von denen viele keinen Schulabschluss haben, für den Arbeitsmarkt qualifiziert werden. Nun will die SPD zusammen mit der Union den Fokus wieder stärker auf das Fordern setzen, also eine eine möglichst schnelle Vermittlung unter Androhung härterer Sanktionen. Kritiker meinen, durch die neue Grundsicherung werden Arbeitslose erpressbar, profitieren könnte der Niedriglohnsektor.
- Keine Vermögenssteuer durchsetzbar mit der Merz-Union
Die stärkere Beteiligung von Vermögenden und reichen Erben ist ein Anliegen vor allem der SPD-Linken. Doch eine Vermögenssteuer oder eine Anhebung der Reichensteuer für Spitzenverdiener war mit Friedrich Merz nicht zu machen. Das Geld sollte laut SPD-Wahlprogramm zur Gegenfinanzierung genutzt werden, um die Mittelschicht steuerlich zu entlasten.
- Taurus-Kehrtwende bahnt sich an
Die SPD sieht sich gerne als Friedenspartei, in der Tradition der neuen Ostpolitik von Willy Brandt. Zwar wurde die Ukraine militärisch stark unterstützt, doch bis zuletzt hielt Olaf Scholz als Kanzler daran fest, dass die weitreichenden Taurus-Marschflugkörper nicht geliefert werden. Friedrich Merz will auch hier eine Kehrtwende als Kanzler einläuten.
- Union setzte Wende in Migrationspolitik durch
Zurückweisungen an der deutschen Grenze, mehr „sichere Herkunftsländer“, schnelle Abschiebungen, Abschiebflüge auch nach Afghanistan und Syrien, ein Ende der „Turbo-Einbürgerung“ nach drei Jahren und mehr. Die Arbeitsgruppe Migration und Vielfalt in der SPD lehnt den Koalitionsvertrag klipp und klar ab. Der Vorsitzende Aziz Bozkurt bezeichnete die Beschlüsse in der Migrationspolitik gegenüber „Focus“ als „rechtlich fragwürdige Vorhaben“. Eine härtere Asyl-Politik berge die Gefahr, „zum Katalysator für rechte Kräfte“, glaubt Bozkurt.
- Nicht mehr einfach so zum Facharzt
Schwarz-Rot will Schluss damit machen, dass jeder einfach so einen Facharzt aufsuchen kann. Mit einem Primärarztsystem sollen die Kosten für die Krankenkassen nach unten gedrückt werden. Die Patienten sollen zunächst zum Hausarzt und sich dort eine Überweisung holen. Eine Zumutung für die gesetzlich Versicherten und besonders für chronisch Kranke, sagen Kritiker. Ihnen werde das Leben damit schwerer gemacht. Im Reformvorhaben schwinge dabei die Unterstellung mit, dass viele Besuche beim Facharzt unnötig seien.
Weitere Nachrichten für dich:
- Merz als Kanzler verhindern
Lars Klingbeil ist mittlerweile mit Friedrich Merz per Du. Doch für viele Sozialdemokraten und besonders Sozialdemokratinnen ist Merz immer noch ein rotes Tuch. Dass ausgerechnet ihre Partei Merz zum Kanzler machen könnte, ist für sie nur schwer erträglich. Anders als Angela Merkel gilt er nicht als Politiker, der zusammenführt und verbindet, sondern polarisiert.
Ausgang des Mitgliedervotums Ende April
Das SPD-Mitgliedervotum läuft noch bis zum 29. April. Die Republik wird mit Spannung den Ausgang erwarten. Stimmt die Parteibasis zu, dann soll Friedrich Merz am 6. Mai zum Bundeskanzler gewählt werden.