„Warum ich niemals für sein Land kämpfen würde“ heißt das neue Buch von Ole Nymoen, in dem er entschieden gegen die Kriegstüchtigkeit Deutschlands und die Wehrpflicht anschreibt.
Warum er nicht für Deutschland kämpfen würde, und was stattdessen die Lösung für ihn wäre, darüber spricht unsere Redaktion mit Nymoen im Interview.
++ Dazu interessant: Grüne Jugend für Waffenlieferung gegen Putin: „Weltlage fordert andere Lösungen“ ++
„Mir ist der Staat nicht mein Leben wert“ – Provokanter Autor sorgt für Wirbel!
Was waren die Beweggründe, dieses Buch zu schreiben?
„Ich finde es ein bisschen eigenartig, dass man in der deutschen Öffentlichkeit auf den Ukraine-Krieg relativ begeistert blickt. Nicht in dem Sinne, dass sich jemand gefreut hat, dass der Krieg ausgebrochen ist. Aber man hat da an der Seitenlinie gestanden und den Ukrainern zugejubelt wie bei einem Fußballspiel. Das fand ich irgendwie geschmacklos. Dort kämpfen Menschen, die das nicht wollen, die von ihrem jeweiligen Staat dazu gezwungen werden.“
++ Zu den Hintergründen: Millionen für neue Soldaten: So lockt Putin junge Männer in den Krieg ++
Warum würden Sie nicht für Ihr Land kämpfen?
„Erstmal aus grundsätzlichem Eigeninteresse. Man will nicht sterben, nicht schwer verletzt werden. Ich kenne einen Herrn, der ist über 80. Er hat bis heute Schlafstörungen wegen des Zweiten Weltkriegs. Was an der Front mit einem passiert, mag ich mir gar nicht vorstellen. Außerdem möchte ich keine anderen Leute töten.“

„Wir schießen dann aufeinander im Ernstfall, nur weil wir verschiedenen Staaten untergeordnet sind, die wir uns nicht ausgesucht haben. Ich identifiziere mich nicht sonderlich mit diesem Staat, und dann bin ich dazu gezwungen, für ihn zu schießen. Auf Menschen, von denen mich wahrscheinlich weniger trennt als von den Leuten, die mir befehlen, das zu tun.“
Flucht statt Kampf im Ernstfall
Wieso identifizieren Sie sich nicht mit diesem Staat?
„Die Leute denken den Staat als Möglichkeit für ein gelingendes Leben. Dazu möchte ich darauf verweisen, wie diese Kriegstüchtigkeits-Debatte oder Aufrüstungsdebatte geführt wird. Da sieht man: Der Staat nimmt Schulden auf, von denen man jahrelang vorher gesagt hat, es sei völlig unmöglich. Für zivile Zwecke, wie zum Beispiel für die Pflege oder die Schulen, konnte man unmöglich Schulden machen.“
„Auf einmal geht das wie von Zauberhand. Selbst Friedrich Merz will die Schuldenbremse quasi abschaffen – für Rüstungsausgaben. Da sieht man mal, wie verlogen das ist. Man reißt noch ein Haushaltsloch, indem man den Reichen Steuererleichterungen gibt, und was macht man noch? Man verschärft noch mal die Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger.“
„An diesen Schritten kann man wunderbar sehen, dass dieser Staat ganz sicher nicht eine Staatsraison hat, die lautet: ‚Wir wollen normalen Bürgern ein möglichst nettes Leben machen.‘ Im Umkehrschluss kann man sich als Bürger mal fragen: ‚Warum soll ich bereit sein, dafür zu kämpfen?'“
Sie leben aber hier und das mit vielen Freiheiten. Wir sind Teil der Europäischen Union und leben verhältnismäßig gut in diesem Land. Wäre es nicht auch im Interesse der Bürger, dieses Land zu verteidigen?
„Mir ist der Staat das nicht wert. Und das sagen 60 Prozent der Leute. Der Staat sagt letztlich: ‚Für die Erhaltung meiner Souveränität bin ich bereit, über die Leichen der jungen Männer zu gehen, die ich in den Krieg schicke.‘ Und warum man dann umgekehrt als Bürger nicht auch sagen darf: ‚Ach, mir ist der Staat mein Leben nicht wert,‘ weiß ich nicht.“
Schon gewusst? ++Wegen Putin: Sportunterricht soll deutsche Kinder kriegsfit machen++
Doppelmoral? Mehrheit für die Wehrpflicht – aber nicht bereit zu kämpfen
Je nach Umfrage ist eine deutliche Mehrheit für die Wiedereinführung einer Wehrpflicht. Sie sehen das nicht als evident. Warum?
„Für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist in der Tat die Mehrheit. Wenn die Frage aber gestellt wird, ob man selbst mit der Waffe in der Hand in den Krieg ziehen würde, dann ist auf einmal eine Mehrheit dagegen. Es sagen 60 Prozent: Nein, würde ich nicht. Wir wissen Bescheid über die Demografie in Deutschland. Ich finde es trotzdem bemerkenswert.“
„Da entscheiden Leute über das Leben ihrer Enkel. Sie sind anscheinend auf der einen Seite dafür, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt wird, und auf der anderen Seite wollen sie nicht selbst zur Waffe greifen. Das finde ich schon hochgradig verlogen.“

Ist es nicht so, dass wir es uns hier leisten können, Pazifisten zu sein, weil in der Ukraine Menschen kämpfen? Sie halten Putin draußen, und wir sind gegen die Kriegstauglichkeit. Ist das nicht feige?
„Auch die Leute dort tun das nicht allesamt freiwillig. Dort werden die jungen Männer einfach an die Front gezwungen. In der Ukraine gibt es viele Leute, die sagen, wenn sie die Wahl hätten, würden sie lieber eine Fremdherrschaft von Putin akzeptieren, als zu sterben. Auch wenn eine solche Fremdherrschaft sicherlich deutlich schlechter ist als die jetzige. Daher würde ich nicht sagen, dass es feige ist, wenn man das nicht möchte.“
Sollte man der Ukraine also zur Kapitulation raten, wenn die Menschen, die dort kämpfen, das eigentlich nicht wollen?
„Ich kann es dem Staat nicht raten, weil der hört ja nicht auf mich. Aber ich kann den Bürgern nur raten, sich dafür nicht herzugeben, sondern zu gucken, dass man seine Haut rettet. So wie das viele Menschen gerade versuchen. Sie verschanzen sich zu Hunderttausenden in den Wohnungen, weil sie wissen, dass sie auf offener Straße einfach weggezerrt, an die Front gekarrt werden und eine Stunde später tot sind.“
„Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ – auch nicht gegen Putin
Was machen wir, wenn Putin hier an der Ostgrenze steht und sagt, dass er Teile von Deutschland jetzt auch will?
„Ich weiß nicht, was der Staat dann macht. Ich würde versuchen, mit meinen Liebsten zu fliehen, und wenn mir der Staat das nicht erlaubt, was ja sehr wahrscheinlich ist, dann werde ich gucken, dass ich in einem zivilen Bereich unterkomme und dass ich nicht selbst an der Front Menschen töten muss. Auch wenn der zivile Bereich natürlich hochgradig gefährlich ist, aber ich würde in keinem Fall selbst zur Waffe greifen.“
„Außerdem: Die ganze Zeit gehen die Leute nur davon aus, dass die Wehrpflicht nur der Verteidigung dient. Dass das alles nur Defensivwaffen sind, halte ich für hochgradig naiv.“
Also Ihre Befürchtung ist, dass wir kriegstüchtig werden – nicht nur, um Putin draußen zu halten, sondern um selbst aktiv anzugreifen?
„Friedrich Merz hat vor drei Jahren im Bundestag gesagt, kurz nach dem Überfall Putins auf die Ukraine, dass Deutschland bereit sein muss, seine Interessen in der Welt durchzusetzen. Dazu gehöre unter anderem, aber nicht nur, die Sicherung der eigenen Grenzen. Und dieses ‚unter anderem, aber nicht nur‘ deutet für mich schon darauf hin, dass man durchaus bereit ist, darüber hinaus zu denken.“
„Das wird sicherlich nicht die Form annehmen, dass man in ein Nachbarland einfällt, aber dass man mal guckt, was für Handelsrouten geschützt werden müssen, welche Wertepartner bei ihren Kriegen unterstützt werden müssen.“
Ihr Buch ist diese Woche rausgekommen, und die Resonanzen waren durchmischt. Auf X war ein Vorwurf, dass Sie kritisieren, dass Geld mit dem Krieg verdient wird, und nun Geld an diesem Buch über den Krieg verdienen. Was sagen Sie dazu?
„Das war einfach eine Polemik von mir gegen so ein paar Journalisten, die in den letzten Jahren da aufgetaucht sind, und wenn sie die Polemik zurückwerfen, dann ziehe ich mir den Schuh gerne an.“
Mehr aktuelle Artikel über Putin und die Ukraine:
Ein Vorschlag war, dass Sie die Einnahmen des Buches an die Ukraine spenden. Können Sie sich das vorstellen?
„Nein, kann ich nicht.“