CDU und CSU springen im Dreieck: Die Union pocht darauf, dass Kanzler Olaf Scholz bereits in der kommenden Woche die Vertrauensfrage stellt und Friedrich Merz nach Neuwahlen im Januar rasch das Ruder übernimmt. Doch noch sperrt sich der Kanzler gegen diesen Tempo-Zeitplan – und bekommt Rückendeckung von der Bundeswahlleiterin Ruth Brand.
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Doch sonderbar ist: Noch kurz davor klang ein Statement aus ihrer Behörde ganz anders.
Bundeswahlleiterin solle sich nicht „instrumentalisieren lassen“, heißt es aus Union
Spitzenpolitiker der Union sind auf 180:
- Ex-Minister Jens Spahn auf X: „Krankenschwestern, Polizisten, Pflegekräfte… Sie alle sind an Feiertagen und Wochenenden 24/7 für uns unter oft schweren Bedingungen da. Und da soll Deutschland keine einfachen Wahlen organisieren können, auch, wenn man zwischendurch Weihnachten feiert?“
- CDU-Generalsekretär Carsten Linneman: „Die Aussagen der Bundeswahlleiterin sind skandalös und beschämend und sind ein Spiegelbild dessen, was in Deutschland los ist!“
- Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Union warnt die Bundeswahlleiterin im Interview mit der „Bild“ davor, „sich von niemanden instrumentalisieren zu lassen“. Deutet er damit etwa an, dass sie von Olaf Scholz beeinflusst wird?
- Auch der frühere Kanzlerkandidat Armin Laschet ärgert sich über das „Hin und Her der Bundeswahlleiterin“. Dazu falle ihm „nichts mehr ein“.
Gemeint ist ein Statement aus dem Haus von Ruth Brand vom Donnerstag. Dort zitiert die Deutsche Presse-Agentur einen Behördensprecher. Wortlaut der Meldung: „Eine kurzfristige Neuwahl wäre aus Sicht der Bundeswahlleiterin kein Problem. Man sehe keine besondere Herausforderung, auch wenn das nun kurzfristig passieren würde.“ Schließlich seien alle Fristen „gesetzlich geregelt“. Gemeint ist der Artikel 39 des Grundgesetzes, nach dem eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen nach Auflösung des Bundestages erfolgen muss.
Plötzlich soll Neuwahl im Januar organisatorisch riskant sein – „Hohe Gefahr“
Doch dann gab es am Freitag die Kehrtwende durch die Bundeswahlleiterin. In einem Brief an dem Kanzler warnt Ruth Brand vor einem überstürzten Prozess. Eine Neuwahl im Januar oder Februar sei riskant, weil so eine ordnungsgemäße Ausführung der Bundestagswahl möglicherweise nicht gewährleistet werden könne. „Insgesamt sehe ich in diesem Fall eine hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnte“, so Brand.
Die Bundeswahlleiterin ist etwa besorgt, dass Gemeindebehörden überlastet sein könnten. Zudem würden kleinere Parteien dann Probleme haben, die nötigen Unterstützungsunterschriften einzusammeln, um zugelassen zu werden.
Bei Kohl und Schröder dauerte der Prozess auch über viele Monate
Kritiker einer Wahl im Januar verweisen zudem darauf, dass es dann einen intensiven Wahlkampf schon zur Weihnachtszeit geben würde und viele Menschen in den Winterferien im Urlaub sind. So könnte es auch Probleme mit freiwilligen Helfern geben in den Ortsverbänden der Parteien und die besinnlichen Tage gestört werden.
Was in der Debatte bislang untergeht: Auch bei früheren Fällen der Auflösungen der Bundestage durch verlorene Vertrauensfragen von Helmut Kohl 1982 und Gerhard Schröder 2005 verstrich viel Zeit. Es waren 156 bzw. 119 Tage zwischen der Ankündigung der Vertrauensfrage und der Neuwahl.
- 22. Mai 2005: Gerhard Schröder kündigt in einem Statement nach der Pleite der SPD bei der NRW-Landtagswahl die Vertrauensfrage an
- 1. Juli: Schröder stellt die Vertrauensfrage im Bundestag
- 21. Juli: Bundespräsident Horst Köhler löst das Parlament auf
- 18. September: Neuwahl
Am Montag treffen sich die Wahlleiter von Bund und Länder zu einer Besprechung. Möglicherweise wird dieser Termin mehr Klarheit darüber bringen, wann organisatorisch eine Neuwahl des Bundestags problemlos möglich ist.