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Syrer zur Asyl-Debatte: „Solche Leute ruinieren unseren Ruf“

Asyl-Bewerber Munir Safi kämpfte in Syrien für westliche Werte und floh vor dem Regime. Jetzt droht ihm die Abschiebung aus Deutschland.

Zwischen Hoffnung und Angst: Munir Safi floh vor der Diktatur und setzt sich für Demokratie und Freiheit ein. Doch nach dem Messerangriff in Solingen fürchtet er um sein Asyl und seine Zukunft.
© Ammar Al Saleh

Scholz fordert Abschiebungen nach Afghanistan

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim als "Terror" bezeichnet. In einer Regierungserklärung zur Sicherheitslage im Bundestag forderte er, Straftäter auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben.

Nicht zuletzt wegen des Messerangriffs in Solingen, dessen mutmaßlicher Täter ein Syrer war, der eigentlich hätte abgeschoben werden sollen, kocht die Asyl-Debatte wieder hoch. Das bekommen Syrer zu spüren, die in Deutschland sind und auf Asyl hoffen. Wir haben mit einem von ihnen gesprochen.

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Munir Safi kommt eigentlich aus Syrien. Dort hat er sich gegen die Diktatur und für westliche Werte eingesetzt, unter anderem mit der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung zusammengearbeitet. Deswegen ist er nach Deutschland gekommen mit der Gefahr, abgeschoben zu werden.

Früher kämpfte er für Demokratie, heute soll er abgeschoben werden

Da er in seiner Heimat mit westlichen NGOs zusammenarbeitete, musste Munir Safi 2011 in den Libanon fliehen. Dort hat er seinen Abschluss gemacht, einen doppelten Master in IT und BWL in der Tasche. Er engagierte sich auch im Libanon weiter: „Dort ging es darum, dass, wenn das Regime gestürzt wird, wir lernen, wie wir ein gutes Land mit Demokratie, einer vernünftigen Parteienlandschaft, Gleichberechtigung der Geschlechter und vielen anderen Werten aufbauen können.“

Weil die Situation sich dort aber zuspitzte, kam er durch seine Arbeit mit den europäischen Organisationen erst nach Spanien und wartet nun in Hamburg auf Asyl. „Ich kann nicht nach Syrien zurückkehren, weil ich eine aktive Person bin, die sich gegen das Regime in Syrien engagiert.“ Heute lebt Safi seit einem halben Jahr in Hamburg. Hier hat er schon Freunde gefunden, als Dolmetscher geholfen und sich sozial engagiert, etwa im Café Exil.

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Asyl-Aus wegen Messerangriff in Solingen

Safi spricht über seine Situation: „Ich habe bereits Erfolg, ich habe bereits Fähigkeiten, und ich arbeite hart daran, in diesem Land weiterzukommen. Ich bin diesem Land zu 100 Prozent dankbar. Ich werde das Gesetz, die deutschen Werte und alle Menschen hier respektieren. Die meisten Menschen, die ich kenne, denken so wie ich. Die Politiker kennen nicht so viele asylsuchende Personen, denke ich.“

Die Messerattacke in Solingen hat Safi schwer getroffen: „Meine Gedanken und mein Beileid sind bei den Familien der Opfer. Wir Syrer in Deutschland sind ebenfalls schockiert von dem schrecklichen Vorfall und von dem Menschen, der den Frieden und die Stabilität dieses Landes stört.“ Safi schweigt, fährt dann fort: „Für mich war es auch deswegen bedrückend, weil solche Menschen unseren Ruf in der Gesellschaft ruinieren.“

Safi ist wichtig, dass die Öffentlichkeit nicht vergisst, „dass es einen Unterschied gibt zwischen einem kriminellen Menschen und einem guten Menschen. Nicht alle Syrer sind gleich, und nicht alle Afghanen sind gleich. Viele von uns sind hier, weil sie wie ich westliche Werte haben, die in ihrer Heimat nicht toleriert werden.“

Die Forderung des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, einen Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen zu erwirken, lässt Safi fassungslos zurück. „Was wäre, wenn jemand anderes diese terroristische Tat begangen hätte? Würden wir diese Nationalität dann auch nicht mehr akzeptieren? Wenn es ein Kubaner gewesen wäre?“

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„Wo sollte ich hingehen?“

Safi erklärt: „Es ist nicht fair, dass Menschen sowohl vor ihrem Herkunftsland als auch vor einem Land wie Deutschland Angst haben, das eigentlich ein Land der Freiheit sein sollte. Es gibt hier viele bedeutende Werte und gute Entscheidungsträger. Wenn einige Politiker also etwas gegen die Menschenrechte in Deutschland sagen, ist das nicht akzeptabel. Es ist nicht fair.“

Hat Safi als gebürtigem Syrer nun Angst, wegen des dem Angriff in Solingen, kein Asyl gewährt zu bekommen? Er bejaht. „Wenn ich im Nahen Osten, in der Türkei, in Jordanien nicht willkommen bin, weil es dort viele Probleme gibt, wenn ich in meinem Herkunftsland nicht willkommen bin, weil ich die falschen Werte habe, wenn ich auch nicht in einem Land willkommen bin, das die Menschenrechte respektiert und für Demokratie kämpft, wo sollte ich dann hingehen?“

Safi hat momentan eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung. Der Antrag auf Asyl ist noch in Bearbeitung – die Behörden brauchen oft mehrere Monate. „Wenn man dann eine Ablehnung bekommt und in ein anderes Land zurückkehren muss, um wieder von vorne anzufangen, ist das nicht einfach. Ich respektiere das Gesetz. Ich brauche keine Ausnahmen, aber ich möchte, dass die Menschen, die hier Asyl bekommen können, wissen, dass sie die Möglichkeit haben, weiterzumachen und hart für dieses Land, für diese Wirtschaft, für alles zu arbeiten.“

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Asyl-Suchende: „die deutschen Menschen verängstigen“

Nach Solingen bemerkt der Syrer eine andere Stimmung im Land. „Meine Nachbarin sagte gestern zu mir, dass sie weiß, dass ich ein guter Kerl bin und dass sie das auch ihren Freunden immer sagt.“ Doch das ist nicht immer der Fall: „Wir haben Angst wegen Solingen. Was in den sozialen Medien über uns steht, ist schlimm und sollte politisch gestoppt werden. Wir wollen keine Probleme mit der Gemeinschaft hier.“

Safi betont: „Wir, die Asylsuchenden, nehmen am Integrationsprogramm teil, um uns mit den deutschen Menschen, der Gemeinschaft und den Werten zu verbinden. Wir wollen keine eigene Gruppe oder Partei bilden oder die deutschen Menschen verängstigen.“

„Wir suchen nicht nach Geld, wir suchen nach einer guten Zukunft“

Am Ende des Gesprächs ist Safi noch eins wichtig: „Viele Menschen denken, dass wir nur wegen sozialer Leistungen nach Europa kommen. Ich möchte betonen, dass wir wirklich, wirklich erschöpft sind von unserem Land, wir sind müde von der Verfolgung, wollen unsere Freiheit erlangen. Wir suchen nicht nach Geld, wir suchen nach einer guten Zukunft, nach Stabilität und Sicherheit.“


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„Wir hoffen, dass wir irgendwann eine Lösung finden, aber bis jetzt gibt es keine Lösung in unseren Ländern.“