Das Erdbeben in der Türkei ist jetzt schon eine der schlimmsten Naturkatastrophen der letzten Jahrhunderte. Die Anteilnahme ist groß – viele Menschen wollen mit Spenden helfen. Andere fahren in die Türkei und versuchen Leben zu retten. Einer von ihnen ist der Erfurter Paul-Philipp Braun.
Der Erfurter arbeitet ehrenamtlich bei der Hilfsorganisation ISAR Germany. Mit einem 43-köpfigen Team und sieben Rettungshunden half der Journalist bei der Erdbeben-Katastrophe in der Türkei. Thüringen24 hat mit Paul-Philipp Braun gesprochen. Dabei erzählt er von Szenen, die an die Apokalypse erinnern und Bildern, die er nie wieder vergessen wird.
Erfurter über Türkei-Einsatz: „Man hat ziemlichen Respekt“
Dienstagnacht (7. Februar) ging es für Paul-Philipp ins Flugzeug in die Türkei. Er und das Rettungsteam landeten zunächst in Gaziantep – von dort aus fuhren sie in die Provinz Hatay in die Stadt Kirikhan. Geschlafen wurde in Zelten bei Temperaturen bis zu minus elf Grad. „Wahrlich kein Vergnügen“, erklärt Braun weiter. Eine andere Möglichkeit gab es allerdings nicht. Denn durch das heftige Erdbeben war das Schlafen in Häusern nicht sicher. Wenn es dann sichere Unterkünfte gab, wollte man Menschen, die alles verloren haben, den Vortritt lassen.
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Als der ehrenamtliche Helfer das Ausmaß des Erdbebens zum ersten Mal sieht und seinen Eindruck beschreibt, findet er deutliche Worte: „Es war, wie sagte ein Kollege, apokalyptisch.“ Braun beschreibt Hochhäuser, die in sich zusammengeklappt seien. „Da lag wirklich nur noch Etage auf Etage.“ Aufgerissene Straßen, abgerutschte Hänge. Es seien viele Menschen auf den Straßen gewesen, die noch versucht hätten mit ihren bloßen Händen Menschen aus dem Schutt zu befreien.
Erfurter und sein Team können vier Menschen lebend bergen
Vier Menschen konnten Paul-Philipp Braun und das Rettungsteam insgesamt in der Türkei lebend bergen. „Damit konnten wir bei vielen Menschen wenigstens für Klarheit sorgen“, so Braun weiter. Die Hunde sind über die Trümmer gelaufen – sie hätten angeschlagen, wenn unter dem Schutt noch lebende Menschen gelegen hätten. Für viele sei alleine diese Gewissheit wichtig gewesen. „Es ist keine schöne Gewissheit, aber es ist Gewissheit“, erzählt der Erfurter.
Eine der vier Personen starb später im Krankenhaus – Zeynep konnte von Paul-Philipps Team geborgen werden. Doch später erlag sie den Folgen ihrer Verletzungen. „Das hat wehgetan in dem Moment“, wie Braun sagt. Er war der erste, der von ihrem Tod erfahren hat. „Auf der anderen Seite weiß ich auch: Wir haben ihr ermöglicht, Abschied zu nehmen. Wir haben sie gerettet – sie musste nicht alleine, in diesem Loch, in den Trümmern sterben.“
Ein Bild kriegt Braun nicht mehr aus dem Kopf: Ein junger Mann lief über die Trümmer und sammelte die Bücher seiner Familie ein – in einem unfassbaren Chaos ging dieser Mann durch die Trümmer und sammelte ausgerechnet Bücher zusammen. „Das war so ein Moment, der mir immer noch nahe geht.“
Psychisch geht es dem Erfurter gut
Seit Dienstag (14. Februar) ist der Erfurter wieder zuhause: „Ich bin immer noch ein bisschen erschöpft, aber zugleich auch recht glücklich irgendwie wieder zuhause zu sein und all die Dinge hier zu haben, die für uns ganz normal sind und für die Menschen im Erdbebengebiet gerade so gar nicht gerade. Ich habe hier ein Bett, eine Heizung, es ist warm, ich habe fließend Wasser und ganz normal Strom aus der Steckdose“, sagt Paul-Philipp weiter.
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Psychisch leiden würde er bislang nicht – auch mit dem Schlaf habe er keine Probleme. Einen Schlüsselmoment gab es für ihn dann aber doch, als er am Flughafen Köln/Bonn ankam und eine aus der Türkei stammende Freundin in den Arm genommen hat: „Da lief dieser ganze Einsatz, wie ein ultraschneller Film vor meinen Augen ab. Das hat mich sehr bewegt. Da musst ich fast nochmal kurz weinen.“