Im neuen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kriselt es heftig. Während die junge Partei eigentlich für ihre Friedenspolitik und die Ambitionen einer neuen politischen Kraft steht, entpuppt sich die erste Regierungsbildung in Thüringen als echte Zerreißprobe.
Im Zentrum des Konflikts: Katja Wolf, der Kopf des Thüringer Landesverbands. Ihre Koalitionsverhandlungen mit CDU und SPD werden zur Geduldsprobe für Parteichefin Wagenknecht und ihr Konzept einer straffen Parteiführung.
Nach Thüringen-Wahlen: Öffentlicher Machtkampf im BSW
Nach außen geht es in der hitzigen Debatte um sicherheitspolitische Themen: Wer steht wofür in der Russlandpolitik, wie sind Waffenlieferungen und US-Raketen zu beurteilen? Doch hinter den Kulissen des BSW brodelt ein ganz anderer Konflikt, der politikwissenschaftliche Experten hellhörig macht: Wer führt das Bündnis wirklich? Und hat Wagenknecht sich etwa mit Wolfs Einfluss und Eigenständigkeit in Bezug auf die Regierungsbildung in Thüringen verkalkuliert?
+++ „Lost Place“ in Thüringen: Vom Spuk-Sanatorium zum AfD-Zentrum? Politiker fasst Plan +++
Schon das zweiseitige Grundsatzpapier, das CDU, SPD und BSW in Thüringen am Montag (28. Oktober) veröffentlichten, bringt Wagenknecht ins Schwitzen: Sie prangert an, dass zentrale Wahlkampfthemen – Friedenspolitik und eine klare Position zu US-Truppenstationierungen – zu wenig betont wurden. Die Forderung aus Berlin: Der Landesverband soll seine außenpolitischen Positionen in den Koalitionsgesprächen konkretisieren, oder die BSW Thüringen soll sich gleich aus der Koalition verabschieden. In die Opposition gehen, also.
„Ob sie dort wieder runterkommt, wird man sehen“
Die Bühne ist bereitet für einen innerparteilichen Showdown, der viel darüber verrät, wie stabil das Bündnis tatsächlich ist, findet Politikwissenschaftler Oliver Lembcke. Der Experte sagt: „Sie ist sehr schnell auf einen hohen Baum geklettert. Ob sie dort wieder runterkommt, wird man sehen.“ Klar sei: Geht dieser Machtkampf schief, droht der Partei das erste politische Fiasko – und das womöglich schon vor den nächsten Landtagswahlen.
Mehr News:
Schon alleine, dass es bei den Verhandlungen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen voraussichtlich unterschiedliche Ergebnisse gebe, beschädige Wagenknechts Image und ihre Vorstellung von einer Kaderpartei, so Lembcke. Doch wenn der Druck wiederum auf Wolf zu groß werde und die Koalitionsverhandlungen deshalb scheitern, sei es aus seiner Sicht auch möglich, dass die mit CDU und SPD eigentlich schon beschlossene Präambel nochmal nachverhandelt werden könne.
„Wagenknecht wird auf jeden Fall eine Form der Kompensation erwarten“, so der Politikwissenschaftler. Er ist sich jedoch sicher: Keine der beiden Frauen dürfte Interesse an einer Eskalation haben: „Wenn man das jetzt nicht einfängt, wird es unangenehm für Frau Wolf – aber auch für Frau Wagenknecht.“ (mit dpa)